Eigentlich trifft man Simo Tolo in Neuss. Hier ist er im „Unsui Dojo“ Karate-Abteilungsleiter der Turngemeinde (TG). Doch zusammen mit Trainerkollege Martin Kudzia veranstaltet er regelmäßig Lehrgänge über den niederrheinischen Tellerrand hinaus. Zusammen haben die beiden das Projekt „Defend Yourself Using Karate“ ins Leben gerufen. „Karate, das ist für uns eine Möglichkeit zur praktischen Selbstverteidigung. Und das wollen wir den Leuten wieder beibringen“, erklärt Tolo. Meistens geht es bei den Lehrgängen um die Anwendung klassischer Karatetechniken. Aber im Sinne einer konsequenten Selbstverteidigung lassen sich die Neusser immer wieder Neues einfallen, etwa zum Schutz gegen Messerangriffe.
Den haben sie jetzt, am 25. März, bei der Karate-Abteilung der SG Langenfeld trainiert. Mit rund 25 Teilnehmern, ging es einen Tag lang um Bedrohungsszenarien und Abwehrmöglichkeiten gegen Messer. „Natürlich ist es immer das Beste zu fliehen, aber wir wollen euch einen Eindruck von unvermeidlichen Situationen vermitteln, bei denen ihr euch schützen müsst“, heißt es zur Einleitung von Trainer Kudzia. Durch seine Arbeit als Polizist hat er selbst schon Erfahrung im Umgang mit Messern. Und auch die Ausbildung von Laien ist für ihn nicht neu. „Im Rahmen des Projektes SCHUKON haben wir damit angefangen, die Mitarbeiter der Stadt Neuss zum Schutz auszubilden“, erklärt Kudzia, der in diesem Zusammenhang auch von einem Messerangriff im Neusser Jobcenter berichtet.
Der Schutz vor Messern werde immer wichtiger, sind sich die Neusser einig. Dafür haben sie extra Übungswaffen angeschafft, mit denen man gefährliche Situationen gefahrlos nachstellen kann. Zu Beginn erklärten die Trainer einige Grundlagen, etwa, dass Schnitte mehr schmerzen als Stiche, obwohl Stiche meistens gefährlicher seien. Zur Einstimmung wurden auch Bilder von Verletzungen gezeigt, um der bunten Teilnehmergruppe aus Karateka und „Nicht-Kampfsportlern“ einen realistischen Eindruck der Gefahren zu vermitteln.
Im Training wurden dann Abwehrmöglichkeiten trainiert, etwa wie man vulnerable Punkte schützt, wie man einen Stich oder Schnitt bestmöglich blockt und wie man einen Konter setzt, der den Angreifer verletzt oder so lange ablenkt, dass man selbst die Möglichkeit zur Flucht hat. Denn bei allen Übungen ließen die Trainer keinen Zweifel, dass es immer besser ist einem Kampf aus dem Weg zu gehen. Tolo meint: „Egal wie gut ihr euch verteidigt, ihr müsst immer davon ausgehen verletzt zu werden.“ Er und Kudzia vermittelten sehr deutlich, dass es bei einem Messerangriff um Leben und Tod gehen kann.
Das nahmen auch die Teilnehmer mit. Der Langenfelder Trainer Michael Gans lud am Ende zu einer Feedbackrunde ein. Hier lobte ein Karateka, der selber schon mit einem Messer verletzt wurde: „Was ihr hier macht ist sehr realistisch. Ihr macht hier keine Hollywood-Übungen.“ Gerade diese Nähe zur Realität sei den Neussern wichtig. Es gehe um praktische Möglichkeiten zum Selbstschutz, meinen Tolo und Kudzia. Dazu gehörte im Training auch auszuprobieren, wie man mit einem Messer angreift, um zu verstehen, was man als Opfer eigentlich abzuwehren versucht. Zum Abschluss gab es dann auch die Möglichkeit zum Sparring „Messer gegen Messer“, als sportlichen Wettstreit zwischen den Teilnehmern. Im Namen der SG Langenfeld bedankte sich Michael Gans, für das anschauliche und vielseitige Seminar.
Die Möglichkeiten zum Schutz gegen Messerangriffe wollen die Neusser jetzt in ihren Trainingskanon aufnehmen. Zu ihrem abwechslungsreichen Angebot gehörten schon Seminare mit japanischen Mixed Martial Arts, genannt Kudo, straßennahe Selbstverteidigung mit Karate, aber auch klassische Karate-Veranstaltungen, etwa mit dem bekannten Großmeister Akihito Yagi, der im November 2023 wieder bei der TG Neuss trainieren wird. Interessierte sind herzlich eingeladen, an den Veranstaltungen oder am üblichen Training der TG Neuss teilzunehmen
(Infos unter www.unsui-dojo.de ). Vereine können sich bei den Trainern auch per Mail unter tolosimo@unsui-dojo.de melden, um Möglichkeiten zu Seminaren außerhalb von Neuss zu vereinbaren.